Die Odyssee einer Frau
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Nach Aussagen von Familie und Freunden hatte ich überlebt! Das fand ich interessant. Ich war gerade von einer Atlantiküberquerung mit einem Frachtsegelschiff ohne Motor zurückgekehrt, hatte in der Karibik gesegelt und Rum auf und abgeladen. Vor ca. 15. Monaten, als ich es wagte, mich für solch ein Abenteuer zu entscheiden, hatte ich natürlich wahnwitzige Ängste: Weltuntergangstürme, bei denen wir alle ertrinken und von Haien gefressen werden, oder Krankheiten, welche die gesamte Besatzung, außer mir, niederlegen und ich dann alleine, ohne Kenntnisse und mit Höhenangst, die Masten erklimmen und die Segel setzen muss. Bei genauerer Hinsicht begriff ich schnell, dass diese Vorstellungen hauptsächlich von wunderbaren literarischen Werken und Filmen stammten, und dass Segeln über den Atlantik während der Wintermonate im 21. Jahrhundert eine relativ sichere Angelegenheit ist. Atlantische Hurricanes bilden sich hauptsächlich zwischen Juni und November. Unsere Segel sollten von den Passatwinden angetrieben werden, auf einer Route entlang des Nordäquatorialstroms, eine weitere Naturkraft in die richtige Richtung, welche eine Ankunft garantiert. Das Überleben dieser Reise schien mir weniger bedrohlich zu sein als die fortlaufende und langfristige Belastung durch extreme Stresssituationen in meinem direkten Umfeld. Von schweren und tödlichen Krankheiten, Verlusten, etlichen Todesfällen, ja sogar Mord, den Herausforderungen einer Fernbeziehung, bis zu den schwierigen beruflichen Entscheidungen als Selbstständige, schien alles vertreten.
Ich fragte mich, warum und wann entscheidet sich jemand zu einem extremen Abenteuer? Ist es Weglaufen? Hat es mit Selbstoptimierung zu tun? Neben der Motivation und dem Leidensdruck, gab es natürlich einen ursprünglichen Traum, nämlich mit einem großen Zwei-, Drei- oder Viermastsegelschiff einen Ozean zu überqueren. Schon als Kind manifestierte sich die Vision, und wurde immer mal wieder, hier und da heraufbeschwört. Obwohl ich nicht am Meer aufgewachsen bin, sondern eher im tiefen Wald, begleiteten mich immer schon die traumhaften Bilder dieser Schiffe auf den Ozeanen. Als Kunststudentin in den 90zigern durchforstete ich Trödelläden in Berlin um alte und vermoderte Model-Piratenschiffe zu finden. Und gerade in den letzten Jahren tauchte die Fantasie vermehrt und zufällig in Form eines sehr realen Schiffes, der Tres Hombres, auf. Zuerst las ich einen langen Artikel, vielleicht in der Brandeins, oder im Spiegel, ich weiß nicht mehr. Dann schenkte mir eine Freundin in Oslo eine Tres Hombres Schokolade, die eigene Schiffsmarke, und erzählte begeistert von dem Cargo Segelschiff. Ein Jahr später war ich mit einem Freund in einem Berliner Restaurant Mittagessen und fand ein von Tres Hombres inspiriertes Menü, mit emissionsfrei importierten Waren, vor. Ein weiteres Jahr später löste ein Coaching-Kurs mit dem Titel Kreative Strategien für sensible Piraten von Marije Vogelzang, einer niederländischen Designerin und Coachin, intuitiv den Wunsch in mir aus, daran teilzunehmen. Neben den Stunden auf der Couch während der Psychoanalyse, suchte ich nach proaktiven Lebensmanagement-Tools. Im Piratenkurs sollten wir eine "äußere Grenzerfahrung" wählen, etwas, das du immer tun wolltest, aber nie verwirklicht hast, aus Angst, Unbehagen, oder weil eine innere Stimme sagt, die Idee sei kindisch oder skurril. Et voilà, all die Zufälle forderten mich auf, die Tres Hombres genauer zu studieren, und herauszufinden, ob ich dort als Trainee mitfahren kann.
Ich fragte mich, warum und wann entscheidet sich jemand zu einem extremen Abenteuer? Ist es Weglaufen? Hat es mit Selbstoptimierung zu tun? Neben der Motivation und dem Leidensdruck, gab es natürlich einen ursprünglichen Traum, nämlich mit einem großen Zwei-, Drei- oder Viermastsegelschiff einen Ozean zu überqueren. Schon als Kind manifestierte sich die Vision, und wurde immer mal wieder, hier und da heraufbeschwört. Obwohl ich nicht am Meer aufgewachsen bin, sondern eher im tiefen Wald, begleiteten mich immer schon die traumhaften Bilder dieser Schiffe auf den Ozeanen. Als Kunststudentin in den 90zigern durchforstete ich Trödelläden in Berlin um alte und vermoderte Model-Piratenschiffe zu finden. Und gerade in den letzten Jahren tauchte die Fantasie vermehrt und zufällig in Form eines sehr realen Schiffes, der Tres Hombres, auf. Zuerst las ich einen langen Artikel, vielleicht in der Brandeins, oder im Spiegel, ich weiß nicht mehr. Dann schenkte mir eine Freundin in Oslo eine Tres Hombres Schokolade, die eigene Schiffsmarke, und erzählte begeistert von dem Cargo Segelschiff. Ein Jahr später war ich mit einem Freund in einem Berliner Restaurant Mittagessen und fand ein von Tres Hombres inspiriertes Menü, mit emissionsfrei importierten Waren, vor. Ein weiteres Jahr später löste ein Coaching-Kurs mit dem Titel Kreative Strategien für sensible Piraten von Marije Vogelzang, einer niederländischen Designerin und Coachin, intuitiv den Wunsch in mir aus, daran teilzunehmen. Neben den Stunden auf der Couch während der Psychoanalyse, suchte ich nach proaktiven Lebensmanagement-Tools. Im Piratenkurs sollten wir eine "äußere Grenzerfahrung" wählen, etwas, das du immer tun wolltest, aber nie verwirklicht hast, aus Angst, Unbehagen, oder weil eine innere Stimme sagt, die Idee sei kindisch oder skurril. Et voilà, all die Zufälle forderten mich auf, die Tres Hombres genauer zu studieren, und herauszufinden, ob ich dort als Trainee mitfahren kann.
Eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart?
Der Satz ‘Die Zukunft der umweltfreundlichen Schifffahrt’ war groß über ein Hintergrundvideo gelegt. Im Video sah ich ein alt aussehendes Segelschiff auf dem relaxte, junge Menschen Gitarre spielen, Seile ziehen und Hände die Kaffeebohnen sortieren und rösten. Für mich sah das überhaupt nicht nach Zukunft aus, eher nach Vergangenheit. Ich las, dass das Schiff Rum, Kakao und Kaffee von der Karibik nach Europa transportiert. Hm, wie meine kolonialen Vorfahren? Ist dies ein bewusster Versuch, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen, von Kolonialismus zu Fair Trade? Oder geht es nur um den Klimawandel? Ich bewundere das klare Statement, welches Fairtransport Shipping mit ihrem Schiff, der Tres Hombres, durch motiviertes Engagement und abenteuerlustige Kühnheit setzen. Ihr Einsatz für die Reduzierung des globalen CO2-Fußabdrucks durch nachhaltigen Transport ist offensichtlich, und ich fragte mich, warum machen das nicht mehr? Dennoch kam mir in den Sinn, wie das Unternehmen wohl im kulturell-historischen Kontext wahrgenommen wird. Rum, Kaffee, Kakao? Alles Dinge, die ich liebe und konsumiere, und vor nicht allzu langer Zeit, unsere weißen Hände mit Blut befleckten. Ich machte mir eine mentale Notiz, das weiter zu recherchieren.
Ich scrollte weiter runter und sah ein Foto eines sexy Seemanns mit starken Armen. Was sagte mir dieses Bild? Ich stellte mir vor, die weibliche Version davon zu sein und dachte sofort daran, mich im Fitnessstudio anzumelden... vielleicht könnte ich ja endliche dieses Gewicht zu verlieren. Ich las weiter: "An Bord unserer Segelschiffe finden sowohl Anfänger als auch erfahrene Segler das ideale Umfeld, um Neues über die Segelwelt zu lernen. Sich selbst besser kennenlernen, besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln, den eigenen Horizont erweitern, mit Herausforderungen konfrontiert werden, sich selbst übertreffen und im Team zusammenwachsen - all das gehört zu einem großartigen Segelerlebnis." Sich selbst besser kennenlernen? Waren die zwei- bis dreimal pro Woche auf der Couch doch nicht genug an Selbstoptimierung gewesen? Also, ich addierte Grenzerfahrung erleben, einen Traum verwirklichen, Fit werden, und mal abtauchen. Die Summe klang wie der beste nächste Schritt, und ich meldete mich an und klickte auf ‘Sail with us.’ Ich wählte ein Abschnitt, der zeitlich passte und etwas Sonnenschein garantierte: von den Kanarischen Inseln in die Karibik, Abfahrt Ende Dezember 27, bis irgendwann Mitte oder Ende Februar.
Die Brigantine Tres Hombres wurde ursprünglich im Jahr 1943 als Fischereifahrzeug gebaut und im Jahr 2007 in einem Wrack ähnlichen Zustand von Jorne Langelaan, Arjen van der Veen und Andreas Lackner wiederentdeckt. Diese ‘drei Männer’ gründeten das weltweit erste umweltfreundliche Cargo Shipping Unternehmen. Das Schiff wurde von vielen engagierten Freiwilligen umfassend restauriert und in ein voll funktionsfähiges Segelschiff umgewandelt, das ausschließlich vom Wind angetrieben wird. Heute überquert es jährlich den Atlantik und navigiert durch die Gewässer Nordeuropas für den Frachttransport. Regelmäßige Renovierungen, mit Hilfe von Enthusiasten die über Bootsbau lernen möchten, gewährleisten, dass das Schiff in einem Top-Zustand bleibt.
Das Abenteuer scheint äußerst beliebt zu sein, so stand ich eine Weile auf der Warteliste und hatte Zeit zu fantasieren. Wie würde es mein Leben, bzw. mich selbst verändern? Was ist, wenn ich doch sehr seekrank werde? Wie werden die Leute an Bord sein? Werde ich eine der wenigen Frauen sein? Als ein Platz frei wurde, begann ich mich ernsthaft vorzubereiten und hörte auf zu hunderte von ‘Was wäre wenn’ Szenarien durchzuspielen. Ich meldete mich für einen Segelkurs am Berliner Wannsee Berlin an –– das Mindeste, was ich tun konnte um nicht wie eine Vollidiotin an Deck herumzustehen. Segeln auf kleinen Booten auf Seen hatte mich nie interessiert. Es ging immer um die großen Schiffe, um Entdecker, Wissenschaftler, Segler und Piraten. Ich wollte einen Einblick bekommen, was diese Abenteurer und Passagiere aus alten Zeiten erlebten und ertragen mussten. Und lasst uns die vielen Sklaven nicht vergessen! (Nicht das ich mir hier anmaße, ich hätte auch nur annähernd eine Idee von dem Grauen der Überfahrten bekommen). Dennoch, völlig abhängig von Wind und Strömung zu sein, wochenlang mit Fremden auf engstem Raum auf dem Ozean zu verbringen, und nicht zu wissen wann wieder Land in Sicht war, war vielleicht annähernd so wie es unsere Vorfahren kannten. Die Tres Hombres hat nur für Navigationszwecke bedingten Internetzuggang, keinen Motor, keinen Kühlschrank (Halleluja auf den Koch, dazu komme ich später), keine Dusche, keine Sonnenstühle, keine gemütlichen Sitzgelegenheiten mit weichen Kissen zum Ausruhen. Vieles, was für die vielen Segel Yachten, die den Atlantik überqueren als normal ist, fehlt, und das mit Absicht. Warum sollte das jemand freiwillig wählen, besonders ohne Segelerfahrung auf einem Ozean? |
Der Selbstforscher, ob er es will oder nicht, wird zum Forscher von allem anderen. Elias Canetti |
Erkundung, Selbstoptimierung und einen Traum erfüllen waren alles bedeutende Gründe, aber unbewusst gab es noch etwas anderes: das Bedürfnis in ein völlig unbekanntes Gebiet abzutauchen, eines, das körperlich und geistig so herausfordernd ist, dass kein Raum bleibt, um über all diese herzzerreißenden, erschütternden und nervenaufreibenden Dinge in meinem Leben nachzudenken. Das war meine Rechnung, und die Gleichung ging auf. Puh!
Frühling 2023. In der Zwischenzeit ging das Leben im Trott weiter. Eine körperliche Manifestation von all den Strapazen erschien direkt in meinem Bauch. Ich bekam ein Geschmack davon, was ich später auf dem Schiff manifestieren sollte, nämlich sich bewusst im disziplinierten Denken zu üben. Ungefähr drei Wochen lang wusste ich nicht, ob dieses Ding böse und hinterlistig war, oder nur einen dunklen Sinn für Humor hatte und meinen Zellen schelmisch eine Warnung zuflüsterte. Diszipliniert entschied ich mich gegen das Böse. So oder so wurde das gutartige Ding herausgeschnitten und hinterließ eine große, hässliche Narbe. Ich stellte mir vor, sie später eine Geschichte über einen Haiangriff einzubauen.
Sommer... Segeln auf dem Wannsee... Okay...
Herbst... Ich hatte vergessen, mich im Fitnessstudio anzumelden und begann sofort Gewichte zu heben.
Frühling 2023. In der Zwischenzeit ging das Leben im Trott weiter. Eine körperliche Manifestation von all den Strapazen erschien direkt in meinem Bauch. Ich bekam ein Geschmack davon, was ich später auf dem Schiff manifestieren sollte, nämlich sich bewusst im disziplinierten Denken zu üben. Ungefähr drei Wochen lang wusste ich nicht, ob dieses Ding böse und hinterlistig war, oder nur einen dunklen Sinn für Humor hatte und meinen Zellen schelmisch eine Warnung zuflüsterte. Diszipliniert entschied ich mich gegen das Böse. So oder so wurde das gutartige Ding herausgeschnitten und hinterließ eine große, hässliche Narbe. Ich stellte mir vor, sie später eine Geschichte über einen Haiangriff einzubauen.
Sommer... Segeln auf dem Wannsee... Okay...
Herbst... Ich hatte vergessen, mich im Fitnessstudio anzumelden und begann sofort Gewichte zu heben.
Unedle Fußabdrücke und Covid zu Weihnachten?
Dezember 2023. Laut Tres Hombres Handbuch für Trainees brauchte ich 3 Pullover, 3 Hosen, 4 T-Shirts, 2 langärmlige-T-Shirts, 2 lange warme Unterhosen, Arbeitskleidung, Badeanzug und Handtuch, eine Kappe oder einen Hut und ein Tuch, um den Hals zu schützen. Ich entschied mich, nur ausgewaschene und befleckte, alte Kleidung mit Löchern mitzunehmen, da es keinerlei Grund geben würde, sich in Schale zu schmeißen. Natürlich brauchte ich eine wasserdichte Segelhose und Schuhe. Die Suche nach beidem gestaltete sich als Herausforderung. Nach etlichen Anläufen in Berliner Geschäften, jeweils ohne gute Beratung und einer begrenzten Auswahl, war ich gezwungen online zu bestellen. Ich musste beide Artikel wieder zurückzuschicken, weil sie in der falschen Größe kamen. Ich schämte mich für meine unedlen Fußabdrücke, die ich hinterließ. Nicht dass ich diese zählen würde. Ich würde verrückt werden. Die Planung dieser Reise zeigte mir deutlich, wie widersprüchlich unser Leben heutzutage ist. Um die klimafreundliche Segelfrachtreise antreten zu können, musste ich einen Flug nach La Palma nehmen und später nochmal, um zurück von der Karibik nach Berlin zu fliegen. Ich gebe zu, mir ging es nicht um Klimawandel, sondern um das Abenteuer, die Erfahrung, die Menschen, den Verzicht auf Internet und Nachrichten, sowie die Abstinenz von dem gewohnten komfortablen Lebensstil mit Dusche, Waschmaschine, Kühl und Gefrierschrank. Verdammt!
Ich wartete auf eine Nachricht von Fairtransport Shipping. Schließlich kam eine E-Mail mit Details zum geplanten Abreisedatum von La Palma und der aufregenden Nachricht, dass wir eine Kapitänin haben würden! Jippie! Ich hatte ein Interview mit dieser beeindruckenden Frau gesehen. Ich war begeistert. Das war genau das, worauf ich gehofft hatte! Ich fragte mich, wie viele Frauen wohl an Bord sein würden und wie die männliche Besatzung mit einer Kapitänin klarkommen würde.
Ich wartete auf eine Nachricht von Fairtransport Shipping. Schließlich kam eine E-Mail mit Details zum geplanten Abreisedatum von La Palma und der aufregenden Nachricht, dass wir eine Kapitänin haben würden! Jippie! Ich hatte ein Interview mit dieser beeindruckenden Frau gesehen. Ich war begeistert. Das war genau das, worauf ich gehofft hatte! Ich fragte mich, wie viele Frauen wohl an Bord sein würden und wie die männliche Besatzung mit einer Kapitänin klarkommen würde.
Mein Flug nach La Palma war am 27. Dezember. Kurz vor Weihnachten, sagte zu meinem Partner: "Liebling, wenn du aus der Schweiz zurückkommst, trage bitte eine Maske im Flughafen und im Flugzeug, Covid ist schwer im Umlauf." Tat er, und trotzdem war der Schnelltest am 23. Dezember positiv. Wir hatten Freunde zum Weihnachtsessen eingeladen, damit sie mir vor Abflug Glück und Hals und Beinbruch wünschen konnten. Die nächsten vier Tage waren von Minuten und Stunden geprägt. Während mein Mann hinter verschlossenen Türen im Bett blieb, testete ich mich ständig. Negativ... Ich kochte, trank Sekt, entbeinte eine Ente, immer noch negativ. Ich hatte ein schönes Weihnachtsessen mit meinen Freunden, die mir versicherten, dass alles gut gehen würde und ich nicht sterben würde... immer noch negativ... beim Packen kamen Kopfschmerzen und allgemeine Schlappheit... immer noch negativ. Was, wenn diese Tests nicht genau sind? Der Gedanke löste die gesamte Covid-Debatte der letzten vier Jahre aus. Diverse Stimmen in meinem Kopf stritten darüber, was ich tun und lassen sollte. Ich ruhte mich aus. Ich schlief. Ich nahm Ibuprofen und Vitamine. Freunde rieten mir, erstmal ins Flugzeug zu steigen und dann zu sehen, wie es läuft. Die Situation Stunde um Stunde erneut prüfen. Ich wusste, dass sich die Covid-Gesetze seit meinem Vertragsabschluss mit der Firma vor einem Jahr geändert hatten. Aber ging es darum? Nein, ich wollte eine verantwortungsbewusste Entscheidung treffen und andere nicht gefährden, aber auch nicht übertrieben reagieren. Am Tag vor der Abreise fühlte ich mich krank. Ich testete mich erneut. Negativ. Ich packte und entschied mich, nach La Palma zu fliegen. Dies nicht zu tun, erschien mir als übertriebene Reaktion. Ich würde dort sehen, wie es mir geht. Und auf jeden Fall Abstand halten. Glücklicherweise waren meine Symptome trocken und nicht schwerwiegend. Ich musste weder husten noch niesen. Ein Gespräch mit einem Freund hallte in meinem Kopf wider: "Auch wenn du Covid bekommen wirst, ist es eine Grippe. Also wenn du jetzt die Grippe hättest, würdest du gehen oder nicht?", fragte er. "Ich würde es von der Schwere der Symptome abhängig machen und wahrscheinlich gehen und Abstand halten."
300 Bananen für die Atlantik Überquerung Während des Fluges wurde in meinem Kopf weiterhin diskutiert. Als wir uns La Palma näherten, flogen wir über direkt den Hafen. Ich sah ein riesiges Kreuzfahrtschiff und daneben, winzig wie eine Ameise, die Tres Hombres! Eine Aufregung kribbelte im ganzen Körper. Ich nahm ein Taxi zu meiner Unterkunft und hoffte auf eine Verzögerung des Ablegens, aufgrund von Verspätung von Fracht oder Besatzungsmitglied. Ich holte tief Luft, ließ die Sonne herein, nahm Ibuprofen und Vitamine, plante, irgendwo etwas zu essen und früh zu Bett zu gehen. Und ich musste die Kapitänin anrufen! Ich erwähnte vage, dass ich mich nicht gut fühle, und fragte, wann das Schiff abfahren würde. "Bitte komme doch gleich morgen früh und sei an Bord. Dann kannst du Dich an alles gewöhnen, wir legen übermorgen in der Früh ab", antwortete sie super gut gelaunt. Die Antwort löste bei mir ein erneutes starkes Kribbeln aus, diesmal jedoch war es Panik. Mittagessen im Hafen... irgendwo Wasser kaufen... zurück zum Hotel... Ibuprofen... schlafen... |
Morgens am 28. Dezember. Negativ. Ich fühlte mich etwas besser. Ich kam im Hafen an und musste am Monster-Kreuzfahrtschiff vorbeigehen, welches ich aus dem Flugzeug gesehen hatte. Ich stellte mir vor auf so einem mega-riesen Hotel auf dem Wasser Urlaub zu machen. Dann fliege ich lieber direkt nach Las Vegas und erspare allen Lebewesen im Ozean den Anblick, den Lärm und Müll, den ich mitproduziere, dachte ich. Bestimmt war meine Trainee Gebühr genauso so teuer wie ein Kreuzfahrtticket. Aber dort würden die Passagiere in einer privaten Kabine mit einem schönen Bett, eigenem Badezimmer mit Dusche schlafen. Sie würden am Pool abhängen und ihr Abenteuer auf Insta posten oder Netflix schauen. Sie würden ein Buffet nach dem anderen abgrasen, und abends belustigt an einer der vielen Bars sitzen. Diese Vorstellung war eine weitere Bestätigung dafür, dass ich richtig gehandelt hatte, das bevorstehende Abenteuer gebucht zu haben.
Rumfässer und grüne Bananen
Ich ging an Bord. Die Crew und Trainees waren super busy. Es wurde Fracht empfangen und gelagert. Mehrere leere Rumfässer, die in der Karibik gefüllt werden sollten, wurden mit Leinen in den Frachtraum gehievt. Alle Lebensmittel, die der Koch des Schiffes bestellt hatte, kamen an und mussten gelagert werden. Kürbisse, Kartoffeln, Rüben, Kohl, Pilze, Karotten und viele andere Gemüsesorten. Und etwa 300 grüne Bananen, die uns als Geschenk überreicht wurden. Die 200 Eier für das Sonntagsfrühstück mussten in spezielle Plastikbehälter umgefüllt werden. Ein riesiger Kanarischer Schinken für sonntags wurde in den Frachtraum gehängt, und bekam den Namen ‘Leg Ryan’.
Das Schiff erinnerte mich an eine Farm, auf der meine Schwester während ihrer Hardcore-Hippie-Zeit lebte. Kleidung und Handtücher hingen an jedem Mast und horizontalen Seilen. Jemand murmelte mir eine Entschuldigung zu: "Wir waschen alle Wäsche", und zeigte mir meine Koje. Ich würde mir eine Kabine mit einer jungen Frau aus Belgien teilen. Ich tat so, als hätte ich meine übliche Fitness und Stärke, und kletterte mit Mühe die Leiter hinunter. Ich wusste, dass die Tres Hombres keine komfortable, saubere Unterkunft war. Es war ein Arbeitsschiff und transportierte Fracht zwischen Europa und der Karibik. Das Schiff war aus altem Holz und Stahl gebaut. Balken, Bolzen und viel Rost waren von meinem oberen Bett aus deutlich sichtbar. Der Abstand zur Decke hin war so gering, dass ich mich fragte, wie ich dort hineinpassen sollte. Ich ließ meinen Rucksack fallen, und ignorierte die Gedanken darüber, wie unbequem das alles würde. Ich wurde zurück auf Deck erwartet. |
Die Kapitänin teilte wichtige Details und Sicherheits-vorkehrungen für das Ablegemanöver am nächsten Morgen mit und hieß uns Neuankömmlinge willkommen. Die Besatzung und die Auszubildenden stellten sich vor. Ich zählte 9 Frauen und 6 Männer. Eine Kapitänin, zwei männliche Erste Offiziere, zwei Matrosinnen, eine Bootsfrau, ein Koch, drei männliche und fünf weibliche Trainees. Die Altersspanne reichte von Anfang zwanzig bis Mitte fünfzig, wobei ich die älteste war, was sich wirklich seltsam anfühlte.
Unsere Kapitänin orderte ein Testmanöver mit lustig aussehenden Überlebensanzügen. ‘Unter keinen Umständen nehme ich in meiner Verfassung daran teil, egal was alle von mir denken’, dachte ich. Ich filmte und fotografierte die 14 "Teletubbies", die einer nach dem anderen ins Wasser sprangen und Formationen übten, die im Notfall von oben aus gut sichtbar waren. Ich bekam noch meinen persönlichen Sicherheitsgurt, den ich mit einem Edding Stift mit Namen versah, und unter Anweisung einer Matrosin anpasste.
Ich erinnere mich nicht mehr daran, wie dieser Tag endete. Es gab viel zu tun, um das Lossegeln am nächsten Morgen vorzubereiten. Am Abend sah mein neues Zuhause wieder wie ein Schiff aus, alles war verstaut und fest verschnürt. Wir bekamen ein köstliches Abendessen, ich entschuldigte mich früh, stieg hinab in meine Koje, nahm Ibuprofen und eine Schlaftablette. Die Überfahrt
Am Morgen wurde ich von jemandem geweckt. Ich hatte gut geschlafen und mochte das sanfte Schaukeln des Schiffes. Ich fühlte mich besser. Ich begab mich an Deck, und jemand reichte mir ein leckeres Porridge-Frühstück aus der Schiffsküche. Besatzungsmitglieder legten ihre Sicherheits-gurte an und kletterten die Masten hinauf, um die Segel loszubinden. Einige sollten gehisst werden, um aus dem Hafen zu segeln. Ich beobachtete alles völlig fasziniert, noch immer darauf achtend, Abstand zu halten. Unser Beiboot zog uns aufs offene Meer, die Segel wurden gesetzt und wir steuerten südwärts Richtung Cabo Verde.
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Wir starteten mit nur wenig Wind. Selbst mit allen Segeln gesetzt, erreichten höchstens eine Geschwindigkeit von 2.5 Knoten. Von da an sind die Tage, Stunden und Minuten in meiner Erinnerung verschwommen. Das elektrische Blau des Atlantiks begann mich zu hypnotisieren. Da war eine Zeitlang noch La Palma zu sehen, dann passierten wir La Gomera, dann El Hierro. Kein Empfang mehr. Ich dachte darüber nach, wie es wohl sein würde aufzuwachen und kein mehr Land zu sehen.
Außer dem Koch musste jeder sich sofort an den Zeitplan des Schiffes, basierend auf der Wache, anpassen. Mit einer Besatzung von 15 Personen, 19 Segeln, Raumwind (von schräg hinten) und einer Strömung in die gewünschte Richtung, entschied die Kapitänin eine Sechs-Stunden-Wache mit drei Gruppen abzuhalten: 8 Uhr bis 14 Uhr, 14 Uhr bis 20 Uhr, 20 Uhr bis 2 Uhr, und 2 Uhr bis 8 Uhr. Alle schienen sehr glücklich darüber zu sein und erzählten, wie anstrengend die ‘Schwedische Wache’ auf dem ersten Abschnitt von Den Helder nach La Palma, mit heftigstem Wetter und Wellengang in der Bucht von Biscaya, war. Die Gruppe schien großartig zu sein.
Interessante Charaktere sicherlich, aber vor allem liebevolle, offene Menschen aus Holland, Schweden, Belgien, Österreich, Deutschland, Frankreich, der Schweiz, den USA und Australien. Dies sollte meine Familie für die nächsten 5-7 Wochen sein. Wir hatten einen ruhigen Start auf See. Das Schaukeln war konstant, aber noch relativ gering. Ich aß kleine Mahlzeiten und ließ das Abendessen ausfallen, wenn ich nicht auf Wache sein musste. Ich hatte gleich am ersten Tag gelernt, das es besser ist zu vermeiden, das Essen von Magenwand zu Magenwand wippen zu lassen, während ich versuchte zu schlafen. Ich ging fest davon aus irgendwann seekrank zu werden, und tat alles Prophylaktische für eine leichte und schnell vorrübergehende Version. Ich nahm vorm Schlafengehen die Tabletten, stoppte Kaffee trinken und Alkohol war sowieso nicht erlaubt.
Am vierten Tag, nachdem wir nordwestlich die Inseln von Cabo Verde passiert hatten, begannen große Wellen das Boot auf der Steuerbord Seite zu heben, unter uns weiter zu rollen, die Backbordseite zu senken. Die Welle glitt weiter wie ein riesiger Berg, und sobald sie am Horizont verschwunden war, kam auch schon die nächste. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten der Physik zu vertrauen, und musste die Augen zusammenkneifen, wenn der Wellengang das Schiff stark zur Seite neigen ließ. Die junge Ärztin aus Österreich, und sehr seegewandte Skipperin, auch Trainee an Bord, bemerkte mein Problem und erklärte mit klarer Stimme: "Kit, das Boot kann nicht umkippen, es hat einen Kiel." Das half. Ich fühlte mich sicherer. Mir wurde klar, dass es besser ist, meinen seefesten Leuten mit ihrer Erfahrung zu vertrauen, als mich meinen eigenen Ängsten auszuliefern. Die meisten der Besatzung hatten schon viele Törns gesegelt, schienen äußerst ruhig und fürchteten nichts, und hofften darauf, dass der Wind bald stärker werden würde.
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Ich begann damit zu versuchen die Sprache zu versstehen. Hier meine ich nicht English, sondern die Hunderte von Begriffen die sich zu merken sind – von den Namen der Segel, des Tauwerks mit den dazugehörigen Pins (92!), der Streck- und Schot Blöcke, der Kommandos, bis hin zu all den Teilen einer Brigantine mit zwei Masten.
Ich lernte alles Mögliche. Das Steuer zu übernehmen und Kurs auf 210° Süd zu halten. Fall-oder Schotseile aufzuschießen und zu schlagen. So einfache, für uns selbstverständliche Tätigkeiten wie Kaffee und Tee kochen. Plötzlich ein nervenaufreibender Balanceakt. Ich lernte, Haare, Körper und Kleidung an Deck des schaukelnden Bootes zu waschen. Das Schiff hat einen 5000 Liter Trinkwassertank, so konnten wir jeweils für eine letzte Spülung von Haar- oder Kleiderwäsche Süßwasser verwenden. Es war ein feines Detail um weitere Ungemütlichkeit zu vermeiden, denn mit nur Salzwasser, werden die Haare spröde und die Kleidung wird nie richtig trocken. Ich lernte, Geschirr zu spülen, das Deck zu schrubben und die Bilgen zu pumpen. Alles an wichtigen hölzerne Bootsteilen abzukratzen, zu schmirgeln und mit Leinöl zu ölen. Das Leinöllappen nicht geknuddelt aufbewahrt werden können, da sie sich sonst entzünden können. Ich lernte Teer um die Wanten zu streichen, das Großsegel zu reparieren und Seile zu spleißen. Und schließlich war ich mutig genug um auf den Wanten bis zur ersten Plattform zu klettern. Für mich eine große Leistung. Als unser Kurs endlich auf die Passatwinde traf, lernte ich, auf dem schwer rollenden Schiff mit Geschwindigkeiten von 7 bis 9 Knoten von A nach B zu gehen. Ich war die dritte Person, die sich einen Zeh an demselben Holzstück an Deck brach. Auch die blauen Flecken häuften sich, vom Aufprall gegen Wände, Geländer, Metall, Wanten und Holz.
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Eine rollende Schiffsküche und ein unglaublich talentierter Koch
Montags hatte der Koch frei. Also mussten die Wache eine Mahlzeit zubereiten. Als leidenschaftliche Teilzeitköchin meldete ich mich freiwillig. Ich war nicht nur neugierig auf die Aufgabe, sondern wollte etwas für die Besatzung zu tun, da ich mich oft nutzlos und unfähig fühlte. Ich konnte mir nicht gut merken, welche Seile zu welchen Segeln gehörten, und war zudem körperlich nicht so stark wie der Rest der Besatzung. Die Intensität eine warme Mahlzeit für 15 Leute in einer rollenden Kombüse zu kochen, ist selbst jetzt, in der Erinnerung, schwer vorstellbar. Töpfe und Pfannen mit kochendem Wasser und Öl zu handhaben, wenn Wellengang und Wind das Schiff so sehr seitwärts legen, dass es den Puls rasen lässt. Manchmal trafen Wellen das Schiff mit einer plötzlichen Wucht oder erzeugten einen sehr steilen Winkel, dass ich mich nur noch festhalten konnten, um nicht durch die Kombüsentür ins Meer geworfen zu werden. Die Kapitänin meinte nur ganz gelassen, ich könnte doch den Sicherheitsgurt anlegen. Ein Halleluja auf den Koch. Er hatte meine größte Bewunderung. Nicht nur aufgrund der körperlichen und geistigen Stärke, die unter diesen Bedingungen Voraussetzung waren. Er kreierte drei köstliche und nahrhafte vegetarische Mahlzeiten pro Tag für 15 Personen aus dem Nichts, kochte immer wieder neue Gerichte, und war ein Meister Gerichte mit frischen Lebensmitteln für eine Zeit zwischen von 3 bis 5 Wochen ohne Kühlschrank, zu planen, und kaum Restmüll zu erzeugen.
Nachtwache
Die Nachtwache von 2 bis 8 Uhr morgens war von der gesamten Besatzung die Lieblingswache. Crew oder Trainees, die vorher Wache hatten, weckten die folgende Gruppe um 1:45 Uhr. Ich liebte es, wenn es der Ozeanruderer aus Seattle war. Er hatte eine Stimme wie ein entspannter Nachrichtensprecher und weckte mich in etwa so: "Guten Morgen, Kit. Wir haben eine wunderschöne, klare Nacht mit Millionen Sternen. Gegen 2:37 Uhr darfst du den Mondaufgang erwarten. Wir fahren mit 5.4 Knoten und mit Kurs 235° Südwest. Es gibt Delfine in der Nähe und fliegende Fische." Ich spiralisierte mich aus dem engen Bunkbed, zog Pullover, Hose und Schuhe über, setzte Stirnlampe auf, packte den kleinen Rucksack mit Wasserflasche, Zahnbürste und Zahnpasta, Handy zum Fotografieren, Sonnenbrille und Sonnencreme für die Morgensonne, einem Buch und Notizbuch. An Deck versammelten wir uns achtern ums Steuerrad, und lösten die vorherige Wache ab. Wir hielten uns die gesamte Wache über achtern, nicht nur um die beste Sichte auf Schiff und Segeln zu haben, sondern auch auf die Kollegen. Die 6 Stunden verbrachten wir mit abwechselnd am Steuerrad Kurs halten, Manövern, Sauerteigbrot backen, in der Kombüse zu snacken, sich Geschichten erzählen, Kriminalrätsel lösen, Französisch zu lernen, sich vorzulesen, oder eben im Stehen oder sitzen vor sich hinzudösen.
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Sobald das Meer seinen Zauber wirft, hält es einen für immer im Netz des Staunens gefangen. — Jacques Yves Cousteau |
Sternenhimmel. Orion, eine der einfachsten zu findenden Sternkonstellationen, bewegte sich mit der Zeit über den Nachthimmel. Cassiopeia erschien als W, Taurus, V-förmig und dominiert von dem hellen roten Stern Aldebaran, das Auge des Stiers, und mittig die Plejaden. Während der Mond, wenn nicht voll, in Nordeuropa eine eher als seitliche Sichel erscheint, sieht er in der Nähe des Äquators aus wie eine Deckenlampe. Wenn kein Mond da war, tauchte die Milchstraße ins Meer ein. Das Himmelszelt war eindeutig erkennbar, und gab mir das Gefühl, zu etwas sehr, sehr Altem, und zu Dingen jenseits unseres Wissens zu gehören.
Nur sehr selten sahen wir andere Schiffe. Wir waren größtenteils allein auf dem weiten Ozean. Und die meiste Zeit fühlte ich mich sicher und auf seltsame Weise wohl und bewacht.
Nur sehr selten sahen wir andere Schiffe. Wir waren größtenteils allein auf dem weiten Ozean. Und die meiste Zeit fühlte ich mich sicher und auf seltsame Weise wohl und bewacht.
Soundscape
Die Klanglandschaft kristallisierte sich vor allem in der Nacht heraus. Das Flattern der Segel, das Klappern der hölzernen Blöcke gegen Wanten oder Masten, die Wellen, die gegen den Rumpf schlugen, das vom Schiff weggedrückte Wasser, welches dann wirbelnde, gluckernde Geräusche erzeugte, und achtern das Drehen der Windmühlen. Manchmal landeten flatternde fliegende Fische, die gerettet werden mussten auf dem Deck, oder Delfine schnauften in der Nähe im schwarzen Wasser. Wenn das Schiff zu stark schwankte oder die Segel wütend flatterten, schaffte es unsere talentierte Kapitänin jedes Mal, die Lage zu beruhigen. Mit geschulten Sinnen und einer feinen Intuition, wusste sie genau wie das Schiff klingen sollte, und straffte oder lockerte mal hier mal da ein Seil, oder ließ uns kleine Manöver oder Wenden durchführen.
Dann Sonnenaufgang. Das schwarze Wasser verwandelte sich zuerst zu einem edlen Titangrau, dann Silber, bevor es erneut das hypnotisierende elektrische Blau des Atlantiks annahm. Stratos-Cumulus am Morgen malten ein Spektrum von Farben in das silberne Wasser, mit feinen Gelb-, Grün-, Rosa- und Lilatönen in den Bewegungen der Oberfläche.
Dann Sonnenaufgang. Das schwarze Wasser verwandelte sich zuerst zu einem edlen Titangrau, dann Silber, bevor es erneut das hypnotisierende elektrische Blau des Atlantiks annahm. Stratos-Cumulus am Morgen malten ein Spektrum von Farben in das silberne Wasser, mit feinen Gelb-, Grün-, Rosa- und Lilatönen in den Bewegungen der Oberfläche.
Demokratie üben und Mansplaining überwinden
Dann ging es darum, den Fisch zu reinigen und zu filetieren. Besonders die jüngeren MatrosInnen an Bord waren eifrig zu lernen. Wir hätten fast ein Anmeldeblatt gebraucht, um festzulegen wer als Nächstes üben darf. Auch ich war begierig, nicht weil ich lernen wollte –ich bin mit einer Forellenzucht aufgewachsen und professionelle Köchin– sondern weil die gesamte Atmosphäre dazu einlud. Trotz der Ankündigung meines Wissens darüber wie ein Fisch zu reinigen und zu filetieren ist, hörte ich immer wieder von einem der ersten Offiziere: "Ja, nächstes Mal bist du dran, und dann zeige ich dir wie das geht." Allerdings waren die Mahi-Mahis inzwischen verschwunden. Ich kam erst später in der Karibik in den Genuss, einen Barrakuda an Deck mit meinem Messer zu filetieren. Inzwischen hatte ich eine sanfte Stimme gefunden, um meinem jungen und eifrigen Lehrer mitzuteilen, dass ich sicherlich in der Lage bin, einen Fisch alleine zu reinigen und zu filetieren.
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Eine Männer-Odyssee mit
italienisch-deutscher Soap Opera
Die Welt des Segelns auf dem Ozean war und ist noch immer eine Männerwelt. Erst vor kurzem hören wir von Kapitäninnen, Erste Offizierinnen, Bootsfrauen, Matrosinnen, im Allgemeinen, von Frauen auf Ozeanriesen, ob mit oder ohne Segel. Die Geschichten, die ich von meinen Kolleginnen an Bord übers Segeln auf Ozeanen von verschiedenen Schiffen hörte, schockierten mich. Von dem Nicht-ernst-nehmen trotz fundierten Wissens und höchsten Abschlüssen von Nautik Akademien, über ausgelacht werden und Objekt sexistischer Witze zu sein, von Begrabschen bis hin zu Vergewaltigungen. Ich spreche hier von der Gegenwart, dem 21. Jahrhundert. Ich fand es ironisch, dass das einzige Buch, welches ich mitgebracht hatte, Homers Odyssee war. Trotz der neu gefeierten Übersetzung von Emily Wilson, also keine ‘Schlampen und Huren’ für Bezeichnungen von Frauen, war es für mich nichts weiter als eine Glorie an die Eitelkeit und Brutalität der Männlichkeit. Auch wenn Athenes intelligente Zauberei die enorme Hilfestellung für Odysseus war, und überhaupt sein Überleben ermöglichte, bleibt der Fokus auf die Launen und Eitelkeiten der männlichen Götter und ihrer Lieblinge. Ich fand keine Weisheit in diesem Buch. Ich meine, es gibt einige große Literaturwerke, die noch älter sind und weises Gedankengut, welches auch heutzutage noch Sinn macht, enthalten. Trotzdem passte das Buch zur Reise, eben genau, weil Denken und Handeln von Männern und Frauen in vieler Hinsicht immer noch so unterschiedlich scheint.
Ein Vorfall an Bord verdeutlichte unser tief geprägtes Verständnis von Geschlechterrollen. Eine Affäre zwischen einem ersten Offizier und einer Trainee, wurde von der festen Freundin des Offiziers, ebenfalls Trainee an Bord, entlarvt. Was für ein Drama! Vielleicht könnte es jetzt im Rückblick Material für eine Stand-up-Comedy sein, aber in dem Moment, mitten auf dem Atlantik, litten die Beteiligten unermesslich. Die gesamte Besatzung wurde Zeuge eines unschönen Beziehungsdramas. Wir waren nicht nur genervt von der schlechten Stimmung, sondern hatten auch echte Ängste, dass eine der beteiligten Frauen über Bord springen könnte. Obendrein gab es keine Garantie, dass unsere motorlose Brigantine, die mit 6 bis 8 Knoten über den Atlantik mit starkem Wellengang segelte, das Leben eines Menschen über Bord retten konnte. So mussten die Akteure für 10 Tage die emotionale Situation meistern. Aber konnten sie nicht. Fast die ganze Besatzung wurden irgendwie mit einbezogen. Tratsch, miese Laune. Es gab völlig absurde Forderungen, wie ‘ich möchte das sie mir aus dem Weg geht’. Das war fast lustig, wie sollte das denn bitte gehen? Alle drei wurden gebeten, das Schiff in Martinique zu verlassen.
Ein Vorfall an Bord verdeutlichte unser tief geprägtes Verständnis von Geschlechterrollen. Eine Affäre zwischen einem ersten Offizier und einer Trainee, wurde von der festen Freundin des Offiziers, ebenfalls Trainee an Bord, entlarvt. Was für ein Drama! Vielleicht könnte es jetzt im Rückblick Material für eine Stand-up-Comedy sein, aber in dem Moment, mitten auf dem Atlantik, litten die Beteiligten unermesslich. Die gesamte Besatzung wurde Zeuge eines unschönen Beziehungsdramas. Wir waren nicht nur genervt von der schlechten Stimmung, sondern hatten auch echte Ängste, dass eine der beteiligten Frauen über Bord springen könnte. Obendrein gab es keine Garantie, dass unsere motorlose Brigantine, die mit 6 bis 8 Knoten über den Atlantik mit starkem Wellengang segelte, das Leben eines Menschen über Bord retten konnte. So mussten die Akteure für 10 Tage die emotionale Situation meistern. Aber konnten sie nicht. Fast die ganze Besatzung wurden irgendwie mit einbezogen. Tratsch, miese Laune. Es gab völlig absurde Forderungen, wie ‘ich möchte das sie mir aus dem Weg geht’. Das war fast lustig, wie sollte das denn bitte gehen? Alle drei wurden gebeten, das Schiff in Martinique zu verlassen.
Ankommen
6:30 morgens. Ein unvergesslicher Moment. Wir hatten uns im Zickzackkurs an den geplanten Ankerplatz in einer Bucht vor dem Örtchen St. Anne in Martinique manövriert. Die gesamte Besatzung befand sich an Bord, frühstückte und nahm eine Position an Niederholern oder Schotseilen ein, und um die sechs Mann bereiteten den Anker vor. Kommandos wurden laut gerufen. Die Vorsegel wurden zuerst gehisst, dann die Rahsegel des vorderen Masts - Focksegel, Mars- und Bramsegel sowie Großsegel. Es war wie mit Spannung das große Finale eines Symphonie Konzertes zu erwarten. Der Anker fiel. Stille. Dann Jubel, Lachen, Applaus, Umarmungen, Küsse. Nach 25 Tagen waren wir in der Bucht von Martinique angekommen. Ein Moment von ekstatischem Lebensgefühl lag kollektive über uns. Dann versammelten wir uns schweigsam und bedächtig in der Mitte des Schiffes. Die Kapitänin holte zwei Flaschen Rum eines exquisiten Jahrgangs, speziell für diesen Anlass zurückgestellt. Sie hielt eine bewegende Rede über Kameradschaft, Ausdauer, Vertrauen und Geduld. Das, was wir erreicht hatten, war nur mit echtem Teamgeist möglich, und dass sei die wahre Magie des Ozeansegelns. Im Stillen dankte ich der Göttin Athene, denn ohne ihre Weisheit, wäre Odysseus nie heimgekehrt.
Ein Teil von mir wünschte sich, dass die Reise niemals endet. Sollte sie ja noch nicht, aber es würde sehr anders sein. Da ich ja nie seekrank geworden war, wurde ich nun landkrank. Als wäre ich in einem Erdbeben oder hätte LSD geschluckt. Ein normales Bett wurde zum sich drehenden Wasserbett. Ich musste mich an Wänden, Türklinken, Möbelkanten, Geländer während des Gehens festhalten. Eben genau wie auf dem schwankenden Schiff. Einmal fiel ich auf der Straße einfach hin. Es soll vereinzelnd solche wie mich geben, sie werden nicht seekrank, aber bekommen Mal-de-Debarquement. |
The bloody rum
Zu Beginn der Kolonialzeit verwandelte die wachsende Zuckerindustrie, die Karibik, zu einem bedeutenden Globalen Standpunkt. Die Notwendigkeit, das Nebenprodukt Melasse ebenso zu nutzen, war unvermeidlich. Das Destillieren von Rum taucht in historischen Aufzeichnungen von Barbados erstmals um 1650 auf. Inzwischen ist belegt, dass Rum schon viel früher produziert wurde, nicht nur auf den Inseln der Karibik, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Das alkoholische Getränk spielte eine bedeutende Rolle im kolonialistischen Dreieckshandel, einem transatlantischen Netzwerk, das Waren zwischen Europa, Afrika und Amerika austauschte. Afrikanische Sklaven wurden in die Karibik transportiert, um auf großen Plantagen Zuckerrohr zu pflanzen, zu ernten und zu verarbeiten um Zucker, Melasse und Rum herzustellen. Diese Waren wurden mit Schusswaffen und Textilien gehandelt, und wieder nach Afrika transportiert, um mehr Sklaven zu kaufen. Somit war der Dreieckshandelszyklus abgeschlossen. Ich fragte mich, ob es immer noch sichtbare Spuren der einst brutalen, blutigen und rücksichtslosen Geschichte der Rumproduktion gibt. Immerhin müssten noch Strukturen, Praktiken und Marktmechanismen vorhanden sein? Gibt es noch wirtschaftliche und soziokulturelle historische Erblasten die Ungleichheit, Ausbeutung oder kulturelle Aneignung widerspiegeln und fortsetzen? Zahlreiche Brennereien haben das gestohlene Land von ihren Vorfahren geerbt. Ich konnte in der kurzen Zeit am Land keinen Eindruck davon bekommen, ob zum Beispiel gerechte Löhne gezahlt werden, oder wie die allgemeinen Arbeitsverhältnisse sind. Aber dass alle Destillerien das romantische und exotische Bild der karibischen Rumkultur zu Marketingzwecken, somit auch das koloniales Narrativ fortsetzten, war eindeutig.
Nach der faszinierenden Tour durch die Fabrik durften wir den exquisiten und fein nuancierten Rumbullion kosten, und zusehen, wie unsere Fässer gefüllt wurden. Später wurden sie an einen Strand von St. Anne geliefert, sodass sie von einer Gruppe freiwilliger Fans zum Schiff geschwommen werden konnten. Es war ein Spektakel. Über 200 Personen waren am Strand versammelt, inklusive französische Fernsehteams, lokale Radiosender, Fotografen und Journalisten. Über 30 Personen hatten sich angemeldet, die Fässer zur Tres Hombres, etwa 1000 Meter entfernt, hinter den vielen Luxusyachten, ankernd zu schwimmen. Vom Deck aus beobachtete ich die ersten eintreffenden Fässer und half beim Verstauen der Fracht. Journalisten filmten und interviewten die Kapitänin und andere französischsprachige Crewmitglieder. Es machte alles großen Spaß und war eine sehr clevere Marketingstrategie der Destillerie. Ich habe keinen Zweifel daran, dass unsere Destillerie gerechte Löhne zahlte und guten Rum produziert. Und überhaupt, dass alles was die Tres Hombres transportiert, nachhaltige und traditionell hergestellte Bioprodukte sind, von den diversen Destillerien, Kaffee und Kakaoplantagen in Martinique, Barbados, Marie Galante und der Dominikanischen Republik. Der Gedanke darüber, ob es einen Weg geben könnte, die blutige Geschichte der Karibik nicht zu ignorieren, und gleichzeitig Rum zu vermarkten, hat mich noch nicht verlassen. Soviel im globalen Handel hat eine grauenvolle Vergangenheit. Klimafreundliche und Fairtrade gehandelte Produkte sind heute vorrangige Thema, oder?
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Rückwärts
Die zweite Etappe von Martinique nach Barbados stellte sich als echte Herausforderung heraus. "Wer kehrt denn von Martinique nach Barbados zurück? Gegen den Wind und die Strömung?", wurden wir gefragt. Für die 100 Meilen, die eine Brigantine normalerweise in 1 bis 3 Tagen segeln kann, brauchten wir 6 Tage und mussten 600 Meilen zurücklegen. Eine starke Strömung hatte uns nach Süden gedrückt, vorbei an St. Luce. Erst nach 2 Tagen Driften gen Süden fanden wir einen Kurs und etwas guten Wind, um gen Osten durch die Passage zwischen St. Luce und Martinique zu segeln. Zu der Ungewissheit, brauchte ich mindestens 3 Tage, um mich an die starke Seitenlage des Schiffs und starkem Wellengang von seitlich vorne mit kraftvollen Schlägen, zu gewöhnen. Erst nach einer ausführlichen Erklärung der Kapitänin, darüber wie Strömungen und Winde so stark sind, verstärkt durch all das Süßwasser, das aus den großen Flüssen in Südamerika in den Atlantik fließt, entspannte ich mich etwas. Eine wahre Übung in Akzeptanz einer Situation. Wir sind es so gewohnt, unser Leben im Alltag mit all den Terminen und Tätigkeiten zu kontrollieren. Genaue ETAs und ETDs (voraussichtliche Ankunftszeit und voraussichtliche Abfahrtszeit) zu garantieren ist bei einem motorlosen Segelschiff unmöglich, denn dieses ist immer und bedingungslos, von den Elementen abhängig. So stand es auch dick und fett im Handbuch. Aber es war super schwer die Situation gelassen anzunehmen, weil ich einen Flug gebucht hatte, dummerweise einen, der nicht erstattungsfähig war.
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Unser entspanntes 6-Stunden-Wachsystem wurde auf diesem Abschnitt durch den ‘Swedish Watch’ ersetzt. Zwei Gruppen wechselten sich ab: von 14 bis 20 Uhr, von 20 bis 24 Uhr, von Mitternacht bis 4 Uhr morgens, von 4 bis 8 Uhr morgens und von 8 bis 14 Uhr. Wir bekamen höchstens 4-5 Stunden Schlaf, abzüglich der Zeit, die wir zum Essen, Waschen und für Toilettengänge benötigten. Als wir schließlich an der Westküste von Barbados ankamen und die Manöver zum Ankern vorbereiteten, verloren wir unser Beiboot. Glücklicherweise ist Barbados eine belebte Gegend, und eines der vielen motorisierten Touristen Boote hat es für uns zurückgeholt.
Nun vor Barbados liegend konnten wir nicht an Land gehen, weil wir noch nicht vom Zoll abgefertigt waren. Wie wenig ich wusste! Trainees oder auch Passagiere gelten als Besatzungsmitglieder, wenn sie sich in internationalen Gewässern befinden, und Einwanderungs- und Zollformalitäten für Frachtschiffe müssen in einem Verfahren und als Gruppe durchgeführt werden. Nicht nur meine Nerven waren aus verschiedenen Gründen angespannt. Der Anker war nicht fest und trieb Richtung einem mehr als 30 Meter tiefen Abgrund. Das Hochziehen des Ankers, Setzen der Segel, nur um wieder neu zu ankern, sollte auf alle Fälle vermieden werden. Die Kapitänin erklärte mir, dass es wichtig ist, der Besatzung nach Wochen auf See Landgang zu ermöglichen. Etwas, was aufgrund von leicht chaotischen Zoll und Einwanderungsbehörden in Barbados nicht garantieren werden kann. Das machte Sinn, aber trotzdem hatte einen Flug zu erwischen, und die Vorstellung, vor der Küste auf dem Wasser festzusitzen, machte mich so nervös, dass ich mich mit der Kapitänin stritt. Etwas was mir im Nachhinein sehr leid tut, denn sie hatte soviel Verantwortung zu tragen und schon genug Stress gehabt mit dem Beziehungsdrama, dem langen Weg nach Barbados, der Verlieren des Beiboots, und der Gefahr das der Anker fiel. Das letzte was sie brauchte war eine leicht hysterische Person, die Angst hatte ihren Flug nicht zu bekommen. Am Tag meines Abflugs, packte die sie den Computer und Akten in einer Wasserdichten Rucksack und sagte, sie würde mich gleich zum Hafen bringen und das Zoll und Immigration Prozedere hinter sich zu bringen. Die Behörden hätten uns jetzt sowieso schon tagelang ignoriert. Also sind wir zwei mit dem Dinghy in den Hafen, vorbei an drei riesigen Cruiseships, u.a. das schwarze von Virgin, dass wir schon bei Ankunft ‘Darth Vader’ tauften. Ich werde hier nicht erzählen, wie absurd Immigration in Barbados war, nur dass alles sehr lange dauerte, Fragen ganz knapp beantwortet wurden, während man/frau sich hinter den Schreibtischen sich mit Tiktok Videos belustigten. Aber irgendwie konnte ich nicht wütend sein. Immerhin hatten wir Europäer alles so vermasselt, nicht wahr? Ich bin der Kapitänin sehr Dankbar für ihre besondere Hilfestellung an dem Tag, und sage falls sie das hier liest:
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Merci beaucoup et excusez ma hystérie excessive.
Ich akzeptierte den nervenaufreibenden zweiten Abschnitt als ein Teil des gesamten Erlebnisses. Es war eine weitere Übung im rationalen und praktischen Denken. Zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann, und Verantwortung für meine Handlungen übernehmen, einschließlich dieses Sprungs ins kalte Wasser, mich als völlig unerfahrene Seglerin auf hohe See begeben.
Wo endet das eine, und wo beginnt das andere?
Es gibt noch so viel mehr zu berichten: die Minuten, Sekunden, Stunden, Tage und Nächte, in denen ich von den elektrisch blauen, silbernen und schwarzen Farben des Atlantischen Ozeans hypnotisiert war. Die ständige Bewegung zu spüren, das Schaukeln auszugleichen, die ungewöhnlichen Geräusche des Schiffes und des Ozeans zu vernehmen, die Sonne und den Wind auf der Haut zu spüren. Als die Bootsfrau mit in der Kombüse ein Tattoo von einem ‘Silicoflagellate Plankton’ stach und wir dabei laut Musik hörten. Oder als wir die Schiffsflagge verschönerten und klar unter Tres Hombres, ‘and many women’ schrieben. Der Moment, in dem wir den ersten Wal entdeckten, einen Finnwal. Als zwei Orcas ganz nah ans Schiff kamen und unter uns herschwammen. Als wir eine Herde Pottwale in ca. 200 Meter Entfernung beim Frühstück beobachten konnten, und eine Gruppe Buckelwale aus dem Wasser sprang, um die Sonne zu begrüßen. Als Delfine ekstatisch mit dem Schiff um die Wette schwammen, oder ein Zwergwal uns mehrere Stunden lang begleitete und Seevögel das Boot mitten im Nirgendwo umkreisten. Und nicht zu vergessen: der magische Anblick vom biolumineszierenden Plankton bei Nacht, im funkelnden Dialog mit den tausenden Sternen im Nachthimmel. Ich hatte mir verschwommene Linien vorgestellt, aber schnell gemerkt, dass alles klar definiert schien: Der Himmel oben berührt den Horizont, der Ozean unten streift den Himmel. Tag und Nacht sind wie im Märchen inszeniert. Wie eine unserer furchtlosen Meerjungfrauen mit Beinen so schön beschrieb, als sie eines späten Nachmittags auf dem Royal saß: Während eine Seite der Welt noch von der Sonne geküsst ist, taucht die andere bereits in die schwarze Dunkelheit ein. Ich dachte über Grenzen nach. Zeitzonen, ozeanische Gräben und Plateaus, Wetterzonen und Koordinaten, Breiten und Längengraden, alles von Menschen gemachte Messungen, die uns helfen, uns nicht verloren zu fühlen und uns eine Illusion von Kontrolle geben.
Was ich mitnehme: ein Gefühl von Ordnung. Ich habe gelernt, besser durch die inneren Stürme, mit all den Widersprüchlichkeiten und Dramen des modernen Lebens, zu navigieren. Ich habe geübt, meine Gedanken zu disziplinieren, mit Geduld und Ausdauer der Kraft des Lebens zu vertrauen. Ich habe gelernt, dass das Gefühl von Freiheit nur teilweise mit physikalischen Begrenzungen zu tun hat, sondern hauptsächlich damit, welche Perspektive zur Anschauung ich wähle. Dass es klug ist, den Kurs zu halten, besonders wenn das Leben im Chaos steht, oder man sich verloren fühlt. |
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